14.10.2004 Tiefenbegrenzung gilt auch für Grundstücke im "zentralen"
unbeplanten Innenbereich
Ältere Erschließungsbeitragssatzungen enthalten
üblicherweise eine Tiefenbegrenzungsregelung dergestalt, dass im unbeplanten
Bereich Grundstücke nur bis zu einer bestimmten Tiefe, gemessen ab
Straßengrenze, bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes zu berücksichtigen
sind. Die darüber hinaus gehenden Grundstücksteile bleiben danach also
unberücksichtigt. Ausgehend von den Überlegungen von Driehaus, Erschließungs-
und Ausbaubeiträge, 7. Auflage, § 17, RdNr. 31 ff. hatten sich jedoch mehrere
Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte die Auffassung zu Eigen gemacht, wonach
das Institut der Tiefenbegrenzung nur in solchen Fällen anzuwenden sei, in denen
ein Grundstück vom unbeplanten Innenbereich in den Außenbereich hinaus verläuft
(Randgrundstücke). Grundstücke, die vollständig im "zentralen" unbeplanten
Innenbereich liegen, seien im vollen Umfang Bauland und daher keine Fälle der
Anwendung der Tiefenbegrenzung.
In der Praxis war jedoch kaum vermittelbar, dass entgegen dem Wortlaut der
einschlägigen Satzungsregelung ein solches Grundstück nicht in den Genuss der
Tiefenbegrenzung kommen sollte. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun für das
Erschließungsbeitragsrecht in der Entscheidung 9
C 15.03 vom 1.9.2004 klargestellt, dass auch Grundstücke, die
vollständig im Innenbereich liegen und die tiefer sind als die satzungsgemäße
Begrenzung, sehr wohl Anwendungsfälle der Tiefenbegrenzung sind.
In Hessen
ist die Entscheidung auf den ersten Blick nur in den Städten und Gemeinden von
Bedeutung, deren Erschließungsbeitragssatzung noch die klassische
Tiefenbegrenzung durch schlichte Maßfestsetzung unabhängig von der Lage des
Grundstücks aufweist. Wurden dort in der jüngeren Vergangenheit aufgrund der
o.g. Entscheidungen außerhessischer OVGs/VGHs die entsprechenden
Satzungsregelungen auf die vollständig im "zentralen" unbeplanten Innenbereich
gelegenen Grundstücke nicht mehr angewandt, so hat dies in Zukunft wieder zu
erfolgen. Im aktuellen Satzungsmuster des Hessischen Städte- und Gemeindebundes
ist in § 6 Abs. 2 die Anwendung der Tiefenbegrenzung allerdings sachlich auf die
vom Innenbereich in den Außenbereich übergehenden Grundstücke beschränkt, so
dass sich das vom BVerwG angeprochene Problem in Gemeinden, die diese Fassung in
ihrer Erschließungsbeitragssatzung verwenden, gar nicht zu stellen scheint. Der
Entscheidung des BVerwG (Abs. 22 der Internetfassung) ist aber zu entnehmen,
dass kraft Gesetzes, also unabhängig von einer Regelung in der Satzung, bei
"übertiefen" Grundstücken im "zentralen" unbeplanten Innenbereich eine
Tiefenbegrenzung notwendig ist. "Die Gemeinde müsste in jedem Einzelfall gemäß §
131 Abs.1 BauGB entscheiden, inwieweit ein Grundstück erschlossen ist, was
infolge der Anwendungsschwierigkeiten des § 34 BauGB mit erheblichen
Unsicherheiten verbunden wäre", so das BVerwG. Um hier die Bemessungsproblematik
im Einzelfall zu entschärfen, wäre eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung auch
für gänzlich im unbeplanten Innenbereich gelegene Grundstück deshalb durchaus
wieder sinnvoll.
Im Straßenbeitragsrecht, in dem ein gegenüber dem Erschließungsbeitragsrecht
weiterer Erschließungsbegriff (vorteilhafte Inanspruchnahmemöglichkeit) gilt,
kann eine Satzung, die sich an der Regelung des aktuellen Musters der
Straßenbeitragssatzung des Hessischen Städte- und Gemeindebundes orientiert,
problemlos weiter angewandt werden.
Driehaus (Driehaus, Hans-Joachim, Der Anwendungsbereich einer Tiefenbegrenzung im Erschließungsbeitragsrecht) kritisiert in Zeitschrift für Miet- und Raumrecht (ZMR) 2005, S. 81 - 86 die Entscheidung des 9. Senats des Bundesverwaltungsgerichts, dem er ja selbst als Vorsitzender eines anderen Senats angehört, aufs Schärfste und fordert dazu auf, dem Gericht die Möglichkeit zu geben, diese Rechtssprechung zu korrigieren. Er kritisiert die Abkehr des BVerwG von der vorrangig beitragsrechtlichen Sicht, die er während seiner vormaligen Tätigkeit in dem für das Erschließungsbeitragsrecht einige Jahre zuständigen 8. Senat des Gerichts in den Vordergrund gerückt hatte und die Wiederhinwendung zu einer mehr baurechtlichen Betrachtungsweise, wie sie davor vom seinerzeit zuständigen 4. Senat des Gerichts bereits eingenommen wurde.
Manuskript Stand 12.3.2004
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